Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Diplomatie“ hören? An verlogene Freundlichkeit, Intrigen und Schönfärberei? Weit gefehlt: Menschen, die mit sanften Mitteln ihre Ziele erreichen, ohne dabei viel Porzellan zu zerschlagen, kommen privat gut an und stehen auch beruflich hoch im Kurs. Lesen Sie in diesem Beitrag aus dem , wie Sie siegen, ohne zu kämpfen.
Diplomatie – Ein Synonym für Verlogenheit und Heuchelei?
Erinnern Sie sich noch an den Wikileaks-Datenskandal von 2010? Eine hitzige Diskussion über Datenschutz, das Recht der Öffentlichkeit auf Information und die Glaubwürdigkeit von Diplomaten entbrannte, als die Internet-Plattform „Wikileaks“ persönliche Notizen von US-Botschaftern veröffentlichte, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.Die nackte Wahrheit, schwarz auf weiß, war eher geringschätzend als hochachtungsvoll: Silvio Berlusconi wurde als „aufgeblasen und ineffektiv“, Angela Merkel als „Teflon-Kanzlerin“ und Guido Westerwelle als „aggressiv und unfähig“ bezeichnet.
Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken
Dieser Vorfall zeigt gleich 3 Grundsätze der Diplomatie auf. Der englische Schriftsteller und Gelehrte Samuel Johnson (1709 – 1784) sagte: „Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken.“ Wenn das stimmt, könnte die Sprache vieler Menschen einen Dresscode vertragen. Doch: Was können wir aus diesem Vorfall lernen?
Beachten Sie die 3 Grundsätze der Diplomatie
1. Basis der Diplomatie: Gegenseitige Hochachtung.
Sagen Sie nichts über einen Menschen, was Sie nicht auch in seinem Beisein vertreten würden.
2. Basis der Diplomatie: Rhetorisches Geschick.
Kleiden Sie die Wahrheit in ein angemessenes Wortgewand, damit Sie niemanden beschämen. Denken Sie an die Aussage des schweizerischen Schriftstellers Max Frisch:
„Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Handtuch um den Kopf schlagen.“
3. Basis der Diplomatie: Glaubwürdigkeit.
Schützen Sie Ihre Reputation und Ihre Glaubhaftigkeit mit allen Mitteln. Wenn Lügen und Intrigen an der Tagesordnung sind, punkten Sie mit Aufrichtigkeit (wobei Sie die Basis der Diplomatie berücksichtigen sollten).
Friedliche Lösungen im beruflichen und privaten Alltag
Bei der Diplomatie geht es darum, seine Ziele mit sanften Mitteln durchzusetzen, sodass es am Ende keine Verlierer gibt. Lange Zeit waren die Diplomatie und das kluge Taktieren hinter den Kulissen die einzigen Möglichkeiten des Unterlegenen, den Starken zu besänftigen und die eigenen Ziele zu erreichen. Der Schwache verzichtete (zwangsläufig) auf die Macht des Schwertes und baute auf die Kraft des Wortes. Heute sind auch die Mächtigen zunehmend daran interessiert, so zu verhandeln, dass es möglichst keinen Verlierer gibt. Nur so lassen sich langfristige und tragfähige Beziehungen und Partnerschaften aufbauen. Das gilt nicht nur auf Staatsebene, sondern auch im beruflichen und privaten Alltag. Die Diplomatie hat Grenzen, doch mit sanften Mitteln lässt sich mehr erreichen, als die meisten Menschen denken.
Ein Meister der Diplomatie
Konrad Adenauer (CDU-Politiker, Bundeskanzler von 1949 bis 1963)
Adenauer hatte in der Nachkriegszeit die schwierige Aufgabe, das junge, ruinierte Westdeutschland in einem internationalen Umfeld zu positionieren, Versöhnungsbereitschaften anzunehmen und Misstrauen auszuräumen. Er überraschte mit erstaunlichen Resultaten, die er auf leisem Wege erzielte:
Die Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt über ihn:
„Nicht das Beharren auf unerreichbare Forderungen nach Fortschritten in der deutschen Frage, sondern Nervenstärke und politisch-taktisch kluges Reagieren brachten Adenauer Erfolg. Der Moskau-Besuch hatte nachhaltige Wirkungen auf Adenauers Bild in der deutschen Öffentlichkeit und auf sein Urteil über die sowjetische Politik.“
Als er in den 1950er Jahren in die Sowjetunion reiste, um die Haftbedingungen der 9.626 deutschen Soldaten zu verbessern, rechnete ihm niemand gute Chancen aus. Er kam zurück mit der erfreulichen und überraschenden Zusage, dass alle deutschen Soldaten freigelassen werden.
Entgegen den Empfehlungen seiner Berater vertraute er bei dieser Zusage auf ein Ehrenwort. Er hatte keine schriftliche Bestätigung und verließ sich stattdessen auf seine Lebenserfahrung und seine Menschenkenntnis. Auf dem Petersberg bei Bonn, auf dem die Hohen Kommissare der USA, Großbritanniens und Frankreichs ihren Sitz hatten, ereignete sich am 21. September 1949 die berühmte „Teppichszene“: Um der ganzen Welt die Machtverhältnisse zu demonstrieren, sollten die Hohen Kommissare während des Empfangs auf dem Ehrenteppich stehen, Adenauer nicht.
Adenauer wollte aber unbedingt mit auf den Teppich. Als der französische Hohe Kommissar einen Schritt auf ihn zuging, um ihm die Hand zu reichen, nutzte er spontan seine Chance. Freudig bewegte er sich ebenfalls auf sein Gegenüber zu und stand dadurch plötzlich ebenfalls „gleichberechtigt“ mit allen Alliierten auf dem Teppich. Adenauer war geduldig und nahm an, was er bekommen konnte. Er sagte:
„Wenn ich von jemandem ein Butterbrot haben will, und er bietet mir eine Schnitte trockenes Brot, dann nehme ich die trockene Scheibe; die Butter hole ich mir dann eben später.“
In 5 Schritten ans Ziel
1. Schritt: Gut vorbereitet ist halb gewonnen
Ihr Gegenüber möchte sich nicht wie ein Verlierer fühlen. Deswegen benötigen Sie Strategien, die Ihnen eine gute Ausgangslage gewähren und Ihren Verhandlungspartner nicht provozieren. Der Kommunikationspsychologe Frank Naumann empfiehlt: „Sie vereinfachen sich den Weg zu einer gemeinsamen Lösung erheblich, wenn Sie durch geschickte Steuerung des Gesprächsablaufs die Varianten, die Sie ablehnen, von vornherein ausklammern.“ Angenommen, Sie und Ihr Lebens-Partner wollen ein neues Auto kaufen, das Sie gemeinsam finanzieren. Welche Gesprächseröffnung würde Ihnen besser gefallen? Ihr Partner sagt: „Ich erwarte, dass wir uns diesmal endlich einen Porsche 911 Cabrio kaufen.“ Oder Ihr Partner sagt: „Was hältst du davon, wenn wir uns diesmal ein Cabrio gönnen?“ Der Diplomat setzt auf den Vorschlag statt auf die Forderung und bleibt gedanklich für Alternativen offen. Wenn Sie Ihr Geld lieber in eine bequeme Limousine statt in ein sportliches Cabriolet investieren möchten, beginnt der Austausch:
- Warum wollen Sie lieber eine bequeme Limousine?
- Warum will Ihr Partner lieber ein sportliches Cabrio?
- Was ist Ihnen beiden beim Autokauf wichtig?
- In welchen Punkten sind Sie sich einig?
Überlegen Sie bereits vor dem Gespräch, welche Wagenmodelle für Sie akzeptabel wären und welche Sie um jeden Preis vermeiden wollen. Je mehr alternative Lösungen Sie finden, desto besser. Beharren Sie auf einer klassischen E-Klasse-Limousine und Ihr Partner auf ein 911 Cabriolet, liegt die Chance auf Einigung bei Null. Überlegen Sie deshalb schon vor dem Gespräch:
- In welchen Punkten könnten Sie Ihrem Gegenüber entgegenkommen?
- In welchen nicht?
In vielen asiatischen und arabischen Ländern gehört das Verhandeln zum Aufbau einer guten Geschäftsbeziehung dazu. Es wird so lange verhandelt, bis Käufer und Verkäufer zufrieden sind. Fühlt sich einer von beiden betrogen, entsteht keine tragfähige und langfristige Geschäftsbeziehung. Vielen Menschen hierzulande fehlt die Erfahrung, wie man diplomatisch verhandelt. Probieren Sie es aus: Kleine diplomatische Zugeständnisse sind förderlich, um gute Geschäftsbeziehungen zu erhalten.
Win-Win-Situation
Ziel ist eine Lösung, aus der beide Parteien als Gewinner hervorgehen. Sämtliche Aktionen, die einen Gesichtsverlust zur Folge haben, sind tabu.
Schließen Sie Möglichkeiten, die Sie nicht wollen, aus
Zurück zum Ehepaar, das sich ein neues Auto kaufen will: Die beiden kommen zu dem Schluss, das Geld in ein Cabriolet zu investieren (wie er will), das im Innenraum viel Platz und Komfort bietet (worauf sie Wert legt).Ein Diplomat führt das Gespräch, indem er eine begrenzte Auswahl vorgibt: „Wir können uns für Modell A, B oder C entscheiden. Welches ziehst du vor?“ Er schließt die Alternativen, die für ihn nicht in Frage kommen, im Vorfeld aus und bietet sie gar nicht erst an. Er ist mit dem Ergebnis zufrieden, auch wenn sein Gegenüber die finale Entscheidung trifft. Beide sind Gewinner.
Finden Sie kreative Lösungen
In einer partnerschaftlichen Beziehung will jede Partei spüren, dass sie ein Mitbestimmungsrecht hat. Vielleicht können Sie Zugeständnisse machen, ohne von Ihren Vorstellungen abzuweichen. Werden Sie kreativ! Beim Autokauf zeigt sich: Häufig ist Männern das Modell besonders wichtig, Frauen legen manchmal mehr Wert auf Autofarbe und Innenausstattung. Wenn Sie offen für kreative Lösungen bleiben, können Sie zahlreiche tragfähige Kompromisse finden.
2. Schritt: Gewinnen Sie das Vertrauen Ihres Gegenübers
Taktiken gehören zur Diplomatie genauso dazu wie zum Fußballspiel. Die Taktik ist an und für sich ein neutrales Werkzeug und nicht unethisch, solange Fouls in der Umsetzung vermieden werden.
Fouls in der Kommunikation
Eins der häufigsten Fouls in der Kommunikation ist es, den Gesprächspartner bloßzustellen und ihn vorzuführen. Die Fronten verhärten, aus Spiel wird Ernst. Das oberste Ziel der Diplomatie ist deshalb, die Würde des anderen zu schützen. Kritische Punkte sprechen Sie am besten unter vier Augen an. Denken Sie vorher über eine angemessene Wortwahl nach. Helfen Sie Ihrem Gesprächspartner aktiv dabei, sein Gesicht zu wahren, dann haben Sie sein Vertrauen gewonnen und vermutlich einen Freund fürs Leben gefunden.
3 Fragen, die (unbewusst) in jeder Beziehung gestellt werden
1. Kann ich Ihnen vertrauen?
Wenn Sie einem Menschen vertrauen, sind Sie bereit, sich auf ihn und seine Vorschläge einzulassen.
2. Kümmern Sie sich um mich?
Gleichgültigkeit ist Gift. Ihre freundschaftlichen Beziehungen leben von den mehr oder weniger regelmäßigen Interessebekundungen und Zeitinvestitionen. Lassen Sie Worten Taten folgen.
3. Gibst du dein Bestes?
Fehler und Missverständnisse kommen vor. Ihr Gegenüber ist gewillt, Verständnis zu haben und Ihnen zu verzeihen, solange er spürt, dass Sie sich aufrichtig bemühen und Ihr Bestes geben.
3. Schritt: Paaren Sie eine clevere Gesprächsführung mit überlegter Wortwahl
In seinem Buch schreibt Frank Naumann über die Macht der Wortführung. Reden sei eine Form, seine Macht vorzuführen, sagt er: „Ein wichtiger Grund, warum Frauen mehr reden als Männer. Sie versuchen unbewusst, das Machtgefälle in der Beziehung zu ihren Gunsten auszugleichen, also in der familiären Kommunikation die Führung zu übernehmen. Wenn das so einfach wäre!“
Der Haken: Die meisten Zuhörer schalten gedanklich ab, wenn sie mit einem Wortschwall überschüttet werden. Selbst vernünftige Argumente prallen an ihnen ab. Naumann stellt daher die provokante These, „Wer argumentiert, verliert“ auf.
Diplomatische Gesprächsziele
Der Diplomat ist durchaus daran interessiert, die Themen zu bestimmen, Übereinkünfte zu erzielen, die Form des Umgangs zu verbessern und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Er wird sich jedoch hüten, sein Gegenüber zu überreden.
Das Beispiel: Stress mit dem Kunden
Mitarbeiterin: „Der Kunde hat mich am Telefon persönlich beleidigt, das muss ich mir doch nicht gefallen lassen!“
Chef: „Nun mal langsam. Der Kunde ist aufbrausend, aber das müssen Sie doch nicht sofort persönlich nehmen. Weil Sie sich nicht zusammenreißen können, muss ich das wieder geradebiegen.“
Mitarbeiterin: „Sie haben keine Ahnung, was ich mit diesem Kunden schon alles erlebt habe …“
Chef: “Nun stellen Sie sich nicht so an. Es gehört zu Ihrem Job, dass Sie so etwas auch mal wegstecken können…”
Wer fragt, der führt
Diese beiden Dialog-Beispiele zeigen: Statt zu bewerten oder zu widersprechen, nimmt der Diplomat im zweiten Beispiel das Problem seines Gegenübers ernst. Statt zu belehren, lenkt er das Gespräch mit Fragen. Er überlässt dem anderen die größeren Gesprächsanteile, um mehr über die Situation zu erfahren. Erst wenn der andere spürt, dass er ernst genommen wird, beginnt der Diplomat mit der Lösungssuche. Mit gezielten Fragen schafft er Klarheit und lenkt das Gespräch. Er verzichtet auf Forderungen und unterbreitet seine Vorschläge. Im Idealfall denkt der Befragte am Ende des Gesprächs, er sei selbst auf die Lösung gekommen. Das hat den Vorteil, dass er sie zu 100 % akzeptiert und mitträgt. Im zweiten Beispiel fühlt sich die Mitarbeiterin verstanden und ernst genommen. Erst dann ist es möglich, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.
Machen Sie den Anfang
Nutzen Sie die Chance, den Rahmen vorzugeben, indem Sie den Anfang machen. Journalisten geben mit der Eingangsfrage die Gesprächsrichtung vor. Sie bestimmen nicht nur den Verlauf des Gesprächs, sondern auch die Art: locker plaudernd oder konzentriert sachlich. In der Regel nimmt der Befragte diese Führung automatisch an und akzeptiert die von Ihnen gesetzten Rahmenbedingungen. Das gilt insbesondere für Konfliktgespräche. Stellen Sie sich vor, eine Ehefrau ist sauer, weil ihr Mann sie die letzten Wochen mit der Hausarbeit alleingelassen hat. Sie fordert: „Schatz, wir müssen reden.“ Der Laie ahnt, was kommt, und bereitet sich mental auf eine Standpauke vor. Der diplomatische Ehemann eröffnet das Gespräch mit der Frage „Wie kann ich dich besser im Haushalt unterstützen?“ und vermeidet womöglich einen sinnlosen Streit. Das Gespräch dreht sich um die Zukunft – und nicht um Fehler in der Vergangenheit.
Wortwahl
Hüten Sie sich davor, dem anderen einmal so richtig Ihre Meinung zu sagen. Der Spruch, dass man sich immer 2-Mal im Leben begegnet, stimmt meistens. Vielleicht wird Ihr Gegenüber nicht Ihr Freund, doch Sie sollten ihn sich auch nicht zum Feind machen. Bleiben Sie neutral. Formulieren Sie die Wahrheit so, dass sie nicht verletzend klingt. Tabu sind Formulierungen wie „Sie müssen“ oder „Das stimmt nicht“.
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Sie müssen das anders machen. |
Was haben Sie von dieser Lösung? Wie wäre es, wenn wir es so machen? Bitte probieren Sie es einmal so. |
Das ist aber teuer. |
Eine gute Idee – und eine kostspielige. |
Das ist falsch. |
Man kann das auch anders sehen. Meine Sichtweise ist eine andere. |
Er ist unpünktlich. |
Er ist ein großzügiger Mensch – auch beim Umgang mit der Zeit. |
Du bist geizig. |
Du haushaltest sehr besonnen mit deinem Geld. |
Sie merken: Die Formulierungen in der zweiten Spalte klingen freundlicher und ermöglichen Ihrem Gegenüber, auf Sie und Ihre Wünsche einzugehen. Ein Diplomat hütet sich davor, hart über andere zu urteilen. Auch in Ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld bedeutet diplomatisch vorgehen: Bevor Sie sich in einer kritischen Situation äußern oder im Konfliktfall etwas sagen oder schreiben, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie eigentlich erreichen wollen. Ein Diplomat übt sich bis dahin im Schweigen – und hört zunächst nur zu.
4. Schritt: Bauen Sie auf Gemeinsamkeiten
Gerade im internationalen Kontext prallen unterschiedliche Ideale und Wertvorstellungen aufeinander, sodass Missverständnisse vorprogrammiert sind. Diplomaten sind Profis darin, trotz aller Unterschiede den Fokus auf die Gemeinsamkeiten zu legen und mit der Lupe nach ihnen zu suchen.
Diplomaten wissen: Gemeinsam sind wir stark
Dem redegewandten Patrizier Menenius Agrippa gelang es im antiken Rom (494 v. Chr.), die kriegerisch gestimmten Plebejer und die Patrizier zurück an den Verhandlungstisch zu holen:
„Vor langer Zeit hatten sich die menschlichen Körperteile geärgert, weil sie in mühsamer Arbeit Nahrung für den Magen herbeizuschaffen hatten. Der Magen aber liege nur müßig in der Mitte herum und tue nichts weiter, als die Früchte ihrer Arbeit zu genießen. Da verschworen sie sich gegen den Faulpelz. Die Zähne stellten das Kauen ein. Der Mund nahm nichts Essbares mehr an. Die Hände führten keine Lebensmittel mehr zum Mund. Zu ihrem Erstaunen bemerkten sie in den nächsten Tagen, dass sie immer schwächer wurden, weil das Blut, aus dem sie ihre Kraft bezogen, dünn und saftlos durch ihre Adern floss. Da begriffen sie, dass der Magen unbemerkt einen beachtlichen Dienst für sie alle verrichtete.“
Dass mit dem „untätigen Magen“ die Patrizier und mit den „fleißigen Gliedern“ die Plebejer gemeint waren, lag auf der Hand.
Wer anderen schaden will, schadet sich selbst
Fast jeder hat schon einmal am eigenen Leib erlebt, dass dieser Grundsatz stimmt.
Das Extrembeispiel: Die frustrierten Eheleute, die sich einen langjährigen erbitterten Scheidungskrieg liefern. Gewinner sind (im besten Fall) die Anwälte der beiden.
Das Extrembeispiel: Der frustrierte Mitarbeiter, der dem Chef eine spontane Kündigung sowie Beleidigungen an den Kopf wirft – anschließend ein schlechtes Arbeitszeugnis erhält und lange arbeitslos bleibt.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Betonen Sie immer wieder, dass
- Ihnen eine Einigung wichtig ist,
- Sie Ihr Gegenüber respektieren und schützen,
- Sie Wert auf die Ansicht des Gegenübers legen und
- Sie gemeinsame Ziele verfolgen.
Gemeinsamkeiten bei Honorarverhandlungen
Bei Geld hört die Freundschaft auf, aber nicht die Diplomatie. Denn: Gemeinsamkeiten zu betonen ist eine Strategie, die auch in Honorarverhandlungen funktioniert. Hilfreich sind Formulierungen wie:
- „Da sind wir in unseren Preisvorstellungen doch gar nicht so weit voneinander entfernt.“
- „Wenn wir zusammen arbeiten möchten, finden wir bestimmt eine Lösung.“
- „Bis jetzt verliefen unsere Verhandlungen sehr gut . Da wäre es doch gelacht, wenn wir uns nicht einigen könnten.“
- „Lassen Sie uns die Preisdiskussion kurz zur Seite stellen. Wir haben das Ziel …“
- „Ich bin mir sicher, dass wir nicht am Preis scheitern werden. Es gibt sicherlich einen Weg.“
Mit diesen Aussagen betonen Sie immer wieder den Konsens und den Wunsch, zur Zusammenarbeit.
Diplomatisch erfolgreich
Eine diplomatische Verhandlungstaktik hilft Ihnen dabei, sich nicht unter Wert zu verkaufen.
Das Negativbeispiel:
Kunde: „2000 € ist viel zu teuer.“
Anbieter: „Ich könnte Ihnen 10 % entgegenkommen, sagen wir 1800 €.“Kunde: „1800 € ist immer noch teuer …“
? | Der Anbieter verliert das Geschäft oder muss einen weiteren Preisnachlass gewähren. |
Das Positivbeispiel Kunde: „2000 € ist viel zu teuer.“ Diplomat: „Angenommen, ich könnte Ihnen 10 % entgegenkommen und Ihnen einen Preis von 1800 € anbieten: Wären wir dann im Geschäft?“
? | Lautet die Antwort Ja, hat der Diplomat die 1800 € sicher und weitere Preisverhandlungen unterbrochen. Lautet die Antwort Nein, gelingt es ihm auf diesem Weg zumindest, die wahre Zahlungsfähigkeit und –bereitschaft des Kunden herauszufinden. Er hat den Informationsvorsprung und kann das Gespräch lenken. |
5. Schritt: Bleiben Sie realistisch
Diplomatie ist keine Wunderwaffe: Selbst wenn Sie Samthandschuhe anziehen, um schlechte Neuigkeiten zu überbringen, werden daraus keine guten Nachrichten. Mut und Sachlichkeit werden häufig benötigt. Diplomatie ist nicht etwa, wie ein Redner einmal sagte, „mit dem Schwein freundlich, aber zielorientiert über die Notwendigkeit des Sonntagsbratens zu verhandeln“. Nein. Wer zum Beispiel ein Kündigungsgespräch führen muss, sollte auf Schmeicheleien und ausgedehnten Small Talk besser verzichten. Spannen Sie den anderen nicht auf die Folter, sondern machen Sie es kurz. Ihr Mitgefühl und Ihre freundliche Gesinnung dürfen Sie jedoch zeigen: „Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für Sie habe. Ich bin mir sicher, dass Sie schnell einen neuen passenden Arbeitsplatz finden werden. Das wünsche ich Ihnen von Herzen.“
Das Wichtigste auf einen Blick
Gegenseitige Hochachtung, rhetorisches Geschick und Glaubwürdigkeit bilden die Basis der Diplomatie. Wer seinen Verhandlungspartner geringschätzt, ihm ins Gesicht lügt oder ihn mit Worten verletzt, kann mit ihm keine langfristige, kooperative, friedliche Beziehung führen.
In 5 Schritten ans Ziel
1. Gut vorbereitet ist halb gewonnen
Überlegen Sie, welchen Handlungsspielraum Sie haben. Unterbreiten Sie Vorschläge, statt Forderungen zu stellen. Bieten Sie eine Auswahl an – mit den Alternativen, die für Sie in Frage kommen.
2. Verdienen Sie das Vertrauen Ihres Gegenübers
Meiden Sie Fouls in der Kommunikation, zum Beispiel, den Gesprächspartner bloßzustellen. Zeigen Sie ihm, dass Sie Ihr Bestes geben, vertrauenswürdig sind, und dass Worten Taten folgen.
3. Paaren Sie eine clevere Gesprächsführung mit überlegter Wortwahl
Lassen Sie Ihrem Gegenüber die größeren Gesprächsanteile. Führen Sie mit Fragen und denken Sie an die These, „Wer argumentiert, verliert“. Geben Sie den Rahmen vor, indem Sie das Gespräch beginnen, und meiden Sie Reizwörter.
4. Bauen Sie auf Gemeinsamkeiten
Machen Sie – wie der Patrizier Menenius Agrippa – deutlich, dass Gemeinschaft eine Stärke ist. Verzichten Sie darauf, anderen zu schaden, denn meistens schaden Sie sich selbst dabei. Gerade in Preisverhandlungen ist es zielführend, den Konsens sowie die gemeinsamen Ziele, Wünsche und Visionen zu betonen.
5. Bleiben Sie realistisch
Aus schlechten Neuigkeiten werden keine guten Nachrichten. Akzeptieren Sie, dass die Diplomatie ihre Grenzen hat und nicht alle Probleme lösen kann. Halten Sie sich an die Weisheit, die sich über Jahrhunderte bewährt hat: Erst wenn alle diplomatischen Versuche gescheitert sind, beginnt der offene Kampf.