So gelingt’s: Wie Sie höflich und trotzdem ehrlich sind

„Die Geradheit wird am ehesten krumm genommen.“ In diesem Paradoxon steckt der Widerspruch zwischen Aufrichtigkeit und Höflichkeit, den viele Menschen fürchten. Doch warum ist das so? Muss man sich wirklich zwischen Aufrichtigkeit und Höflichkeit entscheiden? Lesen Sie in diesem Beitrag, wie Sie die Wahrheit auch in Härtefällen so sagen, dass sich niemand auf den Schlips getreten oder unnötig verletzt fühlt.

Ehrlich und höflich – ein Widerspruch?

Ist ehrlich sein gleichbedeutend mit einsam sein, wie der Schweizer Schriftsteller Max Frisch leicht resignierend feststellte? Und ist Höflichkeit wirklich nichts anderes als die annehmbarste Form der Heuchelei? So formulierte es Frischs amerikanischer Kollege Ambrose Bierce.

Ehrlichkeit und Höflichkeit scheinen häufig nicht miteinander vereinbar. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen es so aussieht, als müssten Sie sich für das eine oder andere entscheiden. Mit diesem Dilemma setzten sich in der Vergangenheit einige berühmte Köpfe auseinander.

  • „Aufrichtigkeit ist die Tugend jener, die weder Fantasie noch Taktgefühl besitzen.“ (Henry de Montherlant, französischer Dichter)
  • „Eine Lüge ist wie ein Schneeball. Je länger man ihn rollen lässt, desto größer wird er.“ (Martin Luther, deutscher Reformator)
  • „Die Lüge tötet die Liebe. Aber die Aufrichtigkeit tötet sie erst recht.“ (Ernest Hemingway, amerikanischer Schriftsteller)
  • „Es gibt kein besseres Heilmittel für Schmeichelei als die Aufrichtigkeit eines Freundes.“ (Francis Bacon, englischer Philosoph)

Sie sehen: Die Meinungen darüber, ob man der Ehrlichkeit oder der Höflichkeit die höchste Priorität geben sollte, sind durchaus geteilt. Der Christ Martin Luther und der Philosoph Francis Bacon verfolgten eine kompromisslose Linie, die Künstler Henry de Montherlant und Ernest Hemingway legten in Fragen der Offenherzigkeit eine eher pragmatische Einstellung an den Tag.

Heucheleien und Lügen sind keine Alternativen

Um die Bedeutung der Wahrheit im täglichen Umgang miteinander machte sich der Königsberger Moralphilosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) verdient. Sein Grundsatz: Jeder Mensch hat die Pflicht, die Wahrheit zu sagen – und zwar in jeder Situation. Kants strenger Grundsatz lässt keine Ausnahmen zu. Wer jemand anders die Unwahrheit sagt – und sei es in bester Absicht –, macht sich einer Lüge schuldig. Ein Beispiel, das von Kant selbst stammt:

Beispiel: Sie werden von einem Räuber auf der Straße angehalten.

Der Bösewicht verlangt von Ihnen, dass Sie ihm Ihr ganzes Geld abliefern. Laut Kant bleibt Ihnen in so einer Situation nichts anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen. „Warum sollte ich das tun?“, werden Sie jetzt vielleicht einwenden: Der Verbrecher hat sich Ihnen gegenüber ins Unrecht gesetzt, er hat Ihnen eine Situation aufgezwungen – also ist eine Lüge zum eigenen Schutz doch nicht verwerflich.

Lügen – auch Notlügen – verderben den Charakter

Kant befürchtet allerdings Folgendes: Wenn man einmal seine guten Prinzipien aufgibt, tut man dies auch ein zweites (und ein drittes und viertes) Mal. Selbst wenn es sich beim Gegenüber um einen Kriminellen handelt, der außerhalb des Gesetzes steht, sollte man an seinen Grundsätzen festhalten. Es ist verwerflich, einen Menschen – kriminell oder nicht – zu belügen.

Niemals lügen – eine Utopie?

Mit seiner Grundlegung zu einer Metaphysik der Sitten schuf Kant ein Werk, das die Menschheit leiten soll. Es hat aber einen entscheidenden Fehler: In extremen Situationen überfordert es das Individuum. Oder vielleicht doch nicht? Auch die Bibel hat sehr strenge Vorschriften; dennoch lesen viele Menschen täglich darin und richten ihr Verhalten nach ihr aus.

Pragmatische Gründe, um bei der Wahrheit zu bleiben

Auch wenn Sie Kants Ansichten über Moral und Ehrlichkeit nicht teilen sollten, gibt es gute Gründe, nicht zu lügen:

  • Wenn Sie kein guter Schauspieler sind, merkt Ihr Gegenüber, dass Sie nicht ehrlich sind. Es entsteht Misstrauen statt Vertrauen.
  • Lügen machen das Leben kompliziert: Sie müssen sich alle Lügengeschichten gut merken, um nicht enttarnt zu werden.
  • Lügen haben kurze Beine. Kommt ein Betrug erst im Nachhinein heraus, ist er noch viel verletzender als die Wahrheit im richtigen Moment.
  • Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht – so lautet ein Sprichwort. Wer einmal als Lügner enttarnt wurde, hat bei anderen Menschen einen schweren Stand. Auch wenn er die Wahrheit spricht, zweifelt man seine Aussagen an.
  • Trotz Kants Forderung, allen Menschen gegenüber gleichermaßen ehrlich zu sein, gilt oft: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Menschen haben weniger Skrupel, einem Verbrecher ins Gesicht zu lügen als einem Priester.

 

Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Aufrichtigkeit und Höflichkeit?

Wie schaffen Sie es aber, ohne zu lügen Ihre Interessen wahrzunehmen und obendrein andere Menschen nicht zu verletzen? Der Schlüssel zur Lösung dieses Konflikts liegt in einem geflügelten Wort des Musikwissenschaftlers Peter Benary:

Wie Sie bei Geschäftsessen mit ausländischen Geschäftspartnern alles richtig machen

Geschäftsessen brechen das Eis und bringen gute Geschäfte – aber nur, wenn Sie die RICHTIGEN Themen beim Small Talk anschneiden – und wissen, was Sie unbedingt unterlassen sollten!

  • Sind Ihnen die Tabu-Themen der US-Amerikaner bekannt?
  • Wissen Sie, was Franzosen erwarten, bevor Sie zum Geschäftlichen kommen?
  • Kennen Sie die Gesprächsthemen, auf die Italiener Wert legen?

Achtung – in jedem Land herrschen da andere Gepflogenheiten!

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„Sei aufrichtig in allem, was du sagst, aber sage um der Aufrichtigkeit willen nicht alles.“

Wenn Sie in eine entsprechende Situation geraten – wie im Kant’schen Beispiel der Begegnung mit einem Straßenräuber –, sollten Sie diese sorgfältig analysieren. Noch besser ist, Sie stellen sich bereits im Vorfeld darauf ein, denn wenn es so weit ist, fehlt oft die Zeit! Stellen Sie sich also prophylaktisch diese Frage: Wie weit muss ich mit meiner Aufrichtigkeit gehen? Kann ich mein Ziel, in diesem Fall mein Geld zu behalten und unverletzt zu bleiben, auch erreichen, ohne zu lügen? Denkbar wäre doch folgender Ablauf:

Beispiel: Ein Räuber hält ein Opfer an …

… und sagt: „Geben Sie mir Ihr ganzes Geld!“

Das Opfer antwortet: „Mein ganzes Geld? Ich habe 10 € im Portemonnaie. In der Tasche sind noch diverse Münzen. Nehmen Sie auch US-Dollar? Dann habe ich hier noch meine Karte. Sollen wir zur Bank gehen? Aber auf dem Konto ist nicht mehr viel, weniger als 100 €. Zu Hause habe ich aber noch mehr. Und in der Schreibtischschublade in meinem Büro liegt meine Kreditkarte. Das würde sich eher lohnen. Haben Sie noch ein bisschen Zeit?“

Der Räuber verliert die Nerven und läuft weg.

Der Räuber läuft vor seinem Opfer weg: Dieses zugegeben etwas konstruierte Beispiel soll nur einen Weg aufzeigen, der möglich ist, um auch in einer Extremsituation ohne Lüge ans Ziel zu kommen. Andere Wege: Geben Sie dem Räuber das Geld, dass Sie lose in der Jackentasche haben. Oder: Geben Sie Ihre Brieftasche ab und versuchen Sie, mit heiler Haut wieder herauszukommen.

5 typische Alltagssituationen: Wie würden Sie entscheiden?

Im Alltag plagen Sie sich wahrscheinlich weniger mit der Frage, was Sie einem Räuber während eines Überfalls antworten würden. Aber wie würden Sie in den folgenden Situationen reagieren?

1. Achtung: Niemand arbeitet gern im Stimmungstief

Beispiel 1: Schlechte Arbeitsmoral

In Ihrer Abteilung herrscht dicke Luft. Eine Kollegin kommt auf Sie zu und fragt Sie, ob etwas nicht in Ordnung sei. Sie hat die Situation erkannt, wenn auch nicht komplett – denn ihre lasche Arbeitseinstellung ist einer der Hauptgründe für das Chaos. Schenken Sie ihr reinen Wein ein? Oder honorieren Sie die gute Absicht der Kollegin, die sich anscheinend aufrichtig bemüht, der Sache auf den Grund zu gehen, mit wohlwollendem Schweigen?

Sie sehen: Im Prinzip kann jeder das Opfer von Intrigen oder Machtdemonstrationen werden. Die einzige Möglichkeit, sich davor zu schützen, besteht darin, dass Sie aufmerksam auf bestimmte Warnzeichen achten.

Schenken Sie Ihrer Kollegin reinen Wein ein, oder schweigen Sie wohlwollend?

  • Sehen Sie es grundsätzlich als positiv an, dass Ihre Kollegin das Gespräch mit Ihnen sucht. Andernfalls würde der Konflikt noch wochenlang schwelen und alle, die in Ihrer Abteilung arbeiten, nervlich belasten.
  • Gehen Sie davon aus, dass auch Ihre Kollegin nicht gern in einem Stimmungstief arbeitet. Vielleicht hat sie es nicht einmal mitbekommen, dass sie Mitverursacherin der schlechten Atmosphäre ist. Ein Grund mehr für Sie, über das Problem zu reden!
  • Bevor Sie aber den Mund aufmachen, bedenken Sie bitte eines: Machen Sie sich Ihre Gefühle bewusst. Erst dann können Sie sachlich mit der Angelegenheit umgehen. Und machen Sie sich die Gefühle Ihrer Kollegin bewusst!
  • Verdeutlichen Sie sich, was Sie mit dem Gespräch bewirken wollen: Allen Beteiligten soll es hinterher bessergehen. Beginnen Sie das Gespräch positiv, beispielsweise indem Sie die Eigeninitiative Ihrer Kollegin loben.
  • Leiten Sie Ihre Kritik mit einer Ich-Botschaft ein. So werden Ihre Gefühle für Ihr Gegenüber nachvollziehbar. Sagen Sie ruhig offen, was Sie bezwecken – nämlich das Arbeitsklima wieder erträglich zu gestalten. Aber versichern Sie gleichzeitig, dass Sie Ihr Gegenüber nicht verletzen wollen.

So könnten Ihre Formulierungen lauten

„Ich finde es gut, dass du die Initiative ergriffen hast und zu mir gekommen bist. Auch ich habe unter der Atmosphäre in den letzten Wochen gelitten.

Ich habe mich aber auch über dich geärgert. Du bist häufig zu spät gekommen und nicht selten früher gegangen. Das sah so aus, als hättest du dich von uns allen zurückgezogen und würdest dein eigenes Ding durchziehen.

Ich möchte, dass wir uns in Zukunft wieder besser verstehen. Dazu müssen wir alle an einem Strang ziehen. Ich bin jetzt sicher, dass du deinen Beitrag dazu leisten wirst, und ich selbst werde auch mein Bestes geben.“

2. Einseitige Freundschaftsdienste: Sagen Sie mit gutem Gewissen Nein

Beispiel 2: Einseitige Freundschaftsdienste

Eine Freundin fragt Sie, ob Sie heute Abend als Babysitter einspringen können. Sie haben auch Zeit dazu. Nur: Ihre Freundin hat Sie in letzter Zeit reichlich oft um verschiedene Gefallen gebeten, und Sie fühlen sich zu sehr von ihr in Anspruch genommen.

Wie lautet Ihre Entscheidung? Und welche Begründung liefern Sie ihr?

Dürfen Sie einen Gefallen aus erzieherischen Gründen verweigern – oder ist das einer guten Freundin zu viel zugemutet?

  • Stellen Sie zuerst für sich selbst klar, was Sie an einem solchen Abend tun möchten: Babysitten oder einen freien Abend für sich? Falls Sie der Meinung sind, es kommen noch andere Gelegenheiten, bei denen Sie einspringen können – und weswegen es heute nicht unbedingt sein muss –, dann machen Sie sich bewusst, dass Sie Nein sagen wollen. Umso mehr, wenn Sie mit Ihrer Entscheidung ein Signal für die Zukunft setzen möchten.
  • Denken Sie an Wortwahl und Tonfall. Klingen Sie unsicher statt freundlich-bestimmt, wird aus Ihrem Nein ein vages Jein. Ihre Freundin nimmt diese Zwischentöne wahr und denkt sich: „Na, du hättest aber auch gut Ja sagen können!“
  • Stecken Sie ruhig Ihre Grenzen ab. Guten Freund(inn)en dürfen Sie sagen, falls Sie sich von ihnen in gewissen Zeiten zu sehr in Anspruch genommen fühlen. Sie zeigen so, dass Sie sehr wohl hilfsbereit sind, sich aber andererseits nicht ausnutzen und überfahren lassen. Das mag kurzzeitig für Ärger sorgen, tut aber auf lange Sicht der Freundschaft gut.
  • Falls Ihre Freundin das nicht einsehen sollte, stimmt etwas mit Ihrer Freundschaft nicht!

So könnten Ihre Formulierungen lauten

„Ich möchte heute Abend nicht auf deine(n) Kleine(n) aufpassen.“ Fügen Sie dem zunächst nichts hinzu.

Wenn Ihre Freundin nachfragt, sagen Sie: „Du musst auch mal akzeptieren, wenn ich Nein sage. Ein anderes Mal habe ich bestimmt Zeit.“ Insistiert Sie immer noch („Ist ja nur heute Abend!“), antworten Sie: „Du hast mich in letzter Zeit sehr oft gefragt. Manchmal wird mir das zu viel, und ich fände es besser, du würdest manche Aufgaben wie das Babysitten auf mehrere Schultern verteilen. Nicht böse sein, aber heute geht es nicht.“

3. Ernste Krankheit: Wie reagieren Sie?

Beispiel 3: Krankheit

Ein sehr guter Freund von Ihnen ist unheilbar an Krebs erkrankt. Er möchte mit Ihnen einen gemütlichen Abend verbringen. Wie verhalten Sie sich, wenn das Gespräch auf seine Krankheit kommt? Teilen Sie Ihrem Freund ehrlich Ihre Eindrücke mit: dass er sehr mitgenommen aussieht, und dass Sie sich nicht zutrauen, mit ihm über seine Krankheit, seine Ängste und eventuell sogar über den Tod zu sprechen?

Wie offen gehen Sie mit der schweren Erkrankung eines Freundes um? Hier stoßen Menschen manchmal an ihre Grenzen.

  • Freunde dürfen in jeder Situation gegenseitigen Beistand erwarten. Das ist ja der Sinn einer Freundschaft. Dem Freund einen Besuch zu verweigern, nur weil man Angst vor einem unangenehmen Gespräch hat, wäre das Eingeständnis, an seine Grenzen gestoßen zu sein. Und die sollten in einem solchen Fall weiter gesteckt sein.
  • Haben Sie sich also zu einem Besuch entschlossen, stellt sich die Frage: Wie offen sollten Sie sein? Lautet die eindeutige Diagnose tatsächlich „unheilbarer Krebs“ und weiß das auch der Betroffene, wären Worte wie „Bald bist du wieder gesund“ taktlos. Sie würden Ihrem Gegenüber etwas vormachen. Eine solche Lüge wird Ihrem Freund nur eine weitere Enttäuschung bereiten. Ehrlichkeit zeigt ihm dagegen an, dass er sich nicht völlig allein der schweren Situation stellen muss.
  • Selbst Ärzte tun sich schwer damit, gegenüber unheilbar Kranken die richtigen Worte zu finden. Im Klinikum Großhadern bei München werden sogar spezielle Rhetorikseminare für Mediziner, die Krebspatienten behandeln, angeboten. Sie als Freund können hier eine wichtige Rolle im Umgang mit der Krankheit einnehmen, die ein Arzt womöglich gar nicht auszufüllen imstande ist.
  • Bieten Sie dem Freund an, ihm zu helfen – aber nur, falls Sie sich das zutrauen. Es wird ihn etwas zuversichtlicher stimmen, wenn Sie ihm als Gesprächspartner in dieser schweren Zeit zur Verfügung stehen. Daraus kann er Kraft und Mut für den letzten Lebensabschnitt schöpfen.

So könnten Ihre Formulierungen lauten

Warten Sie, bis er selbst das Thema anspricht. Überhaupt sollten Sie in der ersten Zeit mehr zuhören als selbst reden.

  • Stellen Sie Fragen: „Ist es dir recht, wenn ich dich öfter besuche? Reicht es dir, wenn ich einfach nur da bin, oder möchtest du mit mir konkret über deine Krankheit sprechen? Wenn es dir aber lieber ist, dieses Thema auszuklammern, komme ich auch damit klar.“
  • Machen Sie Ihrem Freund deutlich, dass Sie gern zu ihm kommen: „Ich bin gern mit dir zusammen. Daran ändert auch die Krankheit nichts.“
  • Sie müssen nicht ständig reden, auch nicht hektisch das Schweigen überbrücken. Lassen Sie Stille zu. Auch gemeinsam schweigen kann ein gutes Gefühl erzeugen.

4. Absage mit Fingerspitzengefühl

Beispiel 4: Ablehnung eines Bewerbers

Ein Bewerber wurde von Ihrer Firma abgelehnt, und Sie müssen ihm ein paar Zeilen schreiben. Dazu gibt es die bekannten Formeln. In Wirklichkeit war sein nachlässiges Äußeres ausschlaggebend für die Ablehnung.

Was schreiben Sie in die Begründung?

In Absagen auf Bewerbungsschreiben wird fast so viel gelogen wie vor der Wahl und nach der Jagd. Muss das wirklich sein?

  • Versetzen Sie sich in die Rolle des abgelehnten Bewerbers: Was würden Sie von einem solchen Schreiben erwarten? Sätze wie „Zu unserer Entlastung senden wir Ihnen unsere Unterlagen zurück“ sagen rein gar nichts aus. Und was soll er von einer Formulierung halten wie dieser: „Wenn wir Ihnen mitteilen müssen, dass wir Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen können, so fassen Sie das bitte nicht als Abwertung Ihrer Person oder Qualifikation auf“? Wem würde ernsthaft eine solche Unterstellung in den Sinn kommen, nachdem er sich bei einem seriösen Arbeitgeber beworben hat?
  • Die ehrliche Begründung, in Wirklichkeit sei sein nachlässiges Äußeres ausschlaggebend für seine Ablehnung gewesen, wird bereitwilliger akzeptiert als jede Formel – wenn sie auch sprachlich anders verpackt werden sollte, etwa: „Bitte fassen Sie es nicht als Kritik an Ihrer Persönlichkeit auf, aber in unserem Geschäft werden Jeans und Rollkragenpullover von unseren Kunden nicht akzeptiert.“

    Tipps, durch die er sich verbessern kann, nimmt ein erfolgsorientierter und damit lernwilliger Bewerber gern entgegen. Er kann diese bereits in die nächste Vorstellung einarbeiten.

  • Denken Sie daran: Auch Absagen sind eine Visitenkarte für Ihre Firma! Der Bewerber soll spüren, dass Sie nicht willkürlich absagen und ihn ernst nehmen. Antworten Sie daher verständnisvoll, und gehen Sie möglichst individuell auf den Empfänger ein. Eine außergewöhnlich formulierte Absage kann auch eine gute Werbung für Ihr Haus sein.
  • Nur bei massenhaft eingegangenen Bewerbungen können Sie knapper antworten und sagen, dass keine Stelle frei ist. Ein Hinweis auf die Zahl der erhaltenen Schreiben hilft. Hat bereits ein Vorstellungsgespräch stattgefunden, sollten Sie die Absage unbedingt ausführlich und individuell begründen. Achten Sie auf einen positiven, aufmunternden Schluss ohne Formeln!

5. Neue Frisur: Äußern Sie Ihr Missfallen?

Beispiel 5: Neue Frisur

Eine Freundin hat sich ihre langen Haare abschneiden lassen. Sie finden, dass das nicht gut aussieht. Als Sie von ihr gefragt werden, wie Sie denn die neue Frisur beurteilen, antworten Sie … ja, was nur?

Wenn die Haare erst einmal ab sind, hat die Trägerin (oder auch der Träger) für eine längere Zeit Fakten geschaffen. Doch wie nehmen Sie dazu Stellung, nachdem Sie entsprechend aufgefordert wurden?

  • Zunächst einmal sollten Sie herausfinden, wie Ihre Freundin selbst die neue Frisur findet. Ist sie glücklich damit, können Sie ihre Zufriedenheit in Ihrer Antwort betonen – und abschließend Ihre abweichende Meinung kundtun.
  • Hat Ihre Freundin mit der neuen Frisur ein ernsthaftes Problem? In einem solchen Fall müssen Sie behutsam vorgehen. „Schonend reden“ heißt aber noch lange nicht „schönreden“!
  • Hier bewährt sich das so genannte Klappstullen-Feedback: Packen Sie Ihre Kritik in etwas Positives ein. Beginnen Sie mit einem Kompliment, das nichts mit den Haaren direkt zu tun hat. Geben Sie anschließend Ihr ehrliches Urteil über die neue Frisur ab. Formulieren Sie aber nett, und vermeiden Sie dumme Sprüchen wie „Es gibt ja schöne Mützen und Hüte“. Mit Verdikten der Art „Du siehst nicht gerade vorteilhaft damit aus“ bauen Sie ebenfalls niemanden auf. Fügen Sie zum Schluss unbedingt einen versöhnenden Satz an, etwa dass eine Kurzhaarfrisur nicht ewig Bestand haben muss.

So könnten Ihre Formulierungen lauten

  • Beginnen Sie mit etwas Nettem: „Zuallererst finde ich, dass du immer noch sehr gut aussiehst.“
  • Sagen Sie dann die Wahrheit: „Wenn du eine ehrliche Antwort möchtest: Ich finde lange Haare toll, deswegen hat mir deine alte Frisur besser gefallen.“
  • Blicken Sie zum Schluss positiv in die Zukunft: „Wenn du dich mit den kurzen Haaren wohlfühlst, dann solltest du die Frisur so lassen. Falls du selbst unschlüssig bist: Was hindert dich daran, die Haare wieder wachsen zu lassen?“

So lösen Sie Gewissenskonflikte

Das Gewissen, so drückte Immanuel Kant es aus, ist das Bewusstsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen. Plastischer ist das modernere Modell des italienischen Schriftstellers Giovanni Guareschi.

Er schuf mit der Figur des Don Camillo eine schlitzohrige, aber dennoch moralische Gestalt. Immer wenn sich der katholische Pfarrer im Konflikt mit seinem Widerpart, dem kommunistischen Bürgermeister Peppone, befindet, hält er in der Kirche Zwiesprache mit Jesus. Und, oh Wunder, Jesus spricht mit ihm!

Es ist aber nicht Jesus, der antwortet, sondern Don Camillos Gewissen. Indem der Gottesmann unter dem Kreuz in Rede und Gegenrede (der Kommunist Peppone würde sagen: unter Anwendung Marx’scher Dialektik) die Pros und Contras auslotet, kommt er zu einer Entscheidung, mit der alle Betroffenen gut leben können – nicht zuletzt auch er selbst. Das lässt ihn sogar bei seinen linken Gegnern sympathisch erscheinen.

Was ist gut für alle Betroffenen?

Fragen Sie sich, wenn es um ehrliche und höfliche Antworten geht: Wie können alle Betroffenen damit leben? Es ist nicht verwerflich, wenn Sie bei der Beantwortung dieser Frage bei sich selbst beginnen. Vorausgesetzt, Sie hören bei Ihrer Person nicht schon auf und beziehen die Interessen der anderen in die Entscheidungsfindung mit ein.

Wer – wie Don Camillo – Pros und Contras kritisch prüft, kommt zu einer guten Lösung. Moralisch handeln, diplomatisch formulieren ist der Königsweg, den Sie beschreiten sollten. Laut Guareschi ist ein Diplomat ein Mensch, der offen ausspricht, was er nicht denkt. Selbstverständlich gilt auch der Umkehrschluss:

Sie müssen nicht alles sagen, was Sie denken,
aber Sie sollten gut nachdenken über das, was Sie sagen.

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